Situationship – Wenn Liebe unbestimmt bleibt

Situationships beschreiben eine lockere Beziehung ohne Commitment. Entdecke Anzeichen, Vor- und Nachteile sowie Tipps zur Bewältigung dieser Dating-Dynamik.

Inhaltsverzeichnis

Marie freut sich. Es ist Donnerstagabend und Chris hat endlich mal wieder Zeit. Seit zehn Tagen haben sie sich nicht gesehen. Marie hat gekocht und will Chris heute so richtig verwöhnen. Gerade zieht sich Marie nochmals den Lippenstift nach – da macht es ping! Es ist eine Nachricht von Chris: „Sorry Hottie, aber es klappt heut nicht. Nichts für ungut. See you soon.“ Enttäuscht schleudert Marie das Handy auf das Sofa. „So ein Mistkerl!“, zischt sie dabei. Dann beginnt Marie zu weinen – ob aus Wut oder Enttäuschung, ist ihr selbst nicht klar.

Es ist nicht das erste Mal, dass Marie wegen Chris weint. Das liegt nicht nur an seinen kurzfristigen Absagen, sondern auch an anderen Dingen: Obwohl sie seit neun Monaten daten, kennt Marie keinen von Chris Freunden. Ein gemeinsamer Wochenendtrip? Fehlanzeige. Von gemeinsamen Urlaubsplänen kann Marie nur träumen. Wenn Marie ihrer Freundin Lena von ihrem Frust mit Chris berichtet, sagt Lena immer wieder: „Das ist doch nicht normal!“ Manchmal beschleicht Marie auch das Gefühl, dass in ihrer Beziehung zu Chris etwas nicht stimmt. Ob es wirklich nur das Projekt ist, das Chris zeitlich anscheinend so fordert? Oder datet er womöglich auch andere Frauen und hat deshalb so wenig Zeit? Maries Unsicherheit wächst. Schon öfter hat sie versucht, mit Chris über ihre Beziehung zu sprechen. Doch jedes Mal, wenn sie das versucht, weicht Chris aus: „Hey Hottie, was ist? Wir haben es doch schön miteinander. Warum müssen wir Dinge kompliziert machen, wenn es doch auch easy geht?“ Dann nimmt Chris sie in den Arm, schaut ihr tief in die Augen und sie haben den besten Sex, den Marie bis dato jemals hatte.  

Was ist eine Situationship?

Was Marie mit Chris erlebt, hat einen Namen: Situationship. Auch wenn der Begriff zwar neu ist, bezeichnet er ein Phänomen, das es schon so lange wie romantische Beziehungen zwischen Menschen gibt. Situationship definiere ich gerne als:

„Ein mehr oder weniger regelmäßiges Dating mit einem Menschen,
mit dem man auch intime bzw. sexuelle Momente erlebt
– allerdings ohne weitergehendes Commitment.“

Auf gut Deutsch kann man Situationship deshalb auch als „lockere Beziehung“ bezeichnen. In der Regel sind beide Partner:innen ineinander verliebt, doch wollen oder können sie sich nicht vollständig auf eine verbindliche Form der Partnerschaft einlassen.

Warum gibt es Situationships überhaupt?

Die zunehmende Popularität von Situationships ist ein Phänomen hochindividualisierter Gesellschaften. Mit anderen Worten: Je größer in einer Gesellschaft der Wunsch nach individuellen Freiheiten und nach persönlicher Unabhängigkeit ist, desto attraktiver werden lockere Beziehungsformen.

Doch auch besondere Lebenssituationen können dazu führen, dass man sich nicht festlegen mag. Das kann zum Beispiel die Karriereplanung sein oder auch, weil man nach einer Trennung gerade andere Prioritäten hat, als gleich wieder in eine feste Beziehung zu investieren.   

Doch auch das Online-Dating spielt für die Entstehung von Situationships eine wichtige Rolle: Über Online-Plattformen sind mögliche Beziehungspartner:innen fast grenzenlos verfügbar. Vielen Menschen fällt es deshalb zunehmend schwer, sich festzulegen. Wer weiß, vielleicht begegnet einem jemand, der oder die noch besser zu einem passt? In solchen Fällen ist es einfacher, wenn man nicht fest gebunden ist.

Anzeichen, dass deine Beziehung zu einer Situationship tendiert

Wie du später noch lesen wirst, gibt es Beziehungen, die von Anfang an auf ein klar definiertes Ende hin beginnen. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn du ein Jahr im Ausland verbringen und danach glücklich, aber ungebunden zurück nach Hause reisen möchtest. 

Die meisten – auch lockeren Beziehungen – werden im Gegensatz hierzu nicht so klar aufgegleist. Sie beginnen „irgendwie“ und entwickeln sich „irgendwie“ weiter – manchmal allerdings auch nicht. Insbesondere in der Anfangsphase fällt es oft schwer zu sagen, ob die Beziehung einfach noch nicht gefestigt genug ist oder ob sie droht, eine Situationship zu werden.

Hier einige Anzeichen, die auf eine Situationship hindeuten:

  • Ihr habt keine Pläne für die Zukunft
  • Ihr feiert keine kleinen Jubiläen (3 Monate zusammen)
  • Ihr verbringt vorwiegend nur Zeit zu zweit, seine/ihre Freunde und Familie lernst du nicht kennen
  • Ihr unterhaltet Euch wenig bis gar nicht über Eure Vergangenheit
  • Eure Treffen erfolgen sehr kurzfristig, ganz nach dem Motto: Alles kann, nichts muss

Vor- und Nachteile einer Situationship

Situationships sind von sich aus weder gut noch schlecht. Je nachdem, wer was braucht und wer was sucht, kann eine Situationship Vorteile, aber auch Nachteile haben.

Vorteile

  • Freiraum für Selbstentdeckung
    Situationships geben einem die die Möglichkeit, sich in einer intimen Beziehung zu erleben, ohne sich langfristig binden zu müssen.
  • Stärkung des Selbstwerts
    Das Gefühl, begehrt zu werden, ohne sich komplett binden zu müssen, kann das Selbstwertgefühl stärken.
  • Emanzipation
    Man kann unabhängige Entscheidungen treffen und eigene Bedürfnisse in den Fokus stellen – ohne die typischen Einschränkungen oder Verpflichtungen, die mit einer festen Beziehung meistens einhergehen.
  • Nicht allein sein müssen
    Es kann schön sein, sich mit einem Menschen treffen zu können und intim mit ihm zu sein – auch wenn man noch nicht bereit ist für eine feste Partnerschaft.
  • Sexuell aktiv sein können
    Nicht alle Menschen wollen auf Sex verzichten, nur weil sie in keiner festen Partnerschaft leben. Gleichzeitig sind One-Night-Stands nicht jedermanns und jederfraus Sache. Situationships können in solchen Fällen eine – zumindest temporär – ideale Lösung sein.

Nachteile

  • Perspektivelosigkeit
    Wenn Verlässlichkeit, Commitment und Planungssicherheit fehlen, kann das zu Unsicherheiten und Frust führen. Dann wird eine Situationship zunehmend belastend.  
  • Zeitverschwendung
    Man investiert Zeit und Gefühle in eine Beziehung, die möglicherweise nirgendwohin führt.
  • Emotionale Blockade
    Auch ohne klares Commitment führt eine Situationship häufig zu einer zunehmenden emotionalen Bindung. Das liegt am Oxycotin, dem Bindungshormon. Es wird unter anderem dann ausgeschüttet, wenn Menschen miteinander Momente der Nähe erleben, wie zum Beispiel: in den Arm nehmen, kuscheln, tanzen, Sex etc. Eine emotionale Bindung verhindert allerdings häufig, dass man für potenziell erfüllendere Beziehungen offen bleibt.

Die psychologischen Auswirkungen der Ungewissheit

Ich wiederhole mich gerne: Situationships können ganz wunderbar funktionieren – wenn von Anfang an klar ist, dass beide Seiten nicht mehr als eine lockere Beziehung suchen. Ich bringe es gerne so auf den Punkt:

Eine Situationship funktioniert gut,
wenn beide Seiten die Beziehung auf ein klar definiertes Ende hin leben.

Typischer Fall: Man verbringt ein Jahr im Ausland oder mit einem Projekt und es ist klar, dass man danach ungebunden weiterziehen möchte.

Anders ist es, wenn eine Situationship „einfach so“ entsteht: Man datet sich und wird intim miteinander. Dummerweise hat man davor aber verpasst zu klären, welche Form der Beziehung man selbst und der/die andere führen möchte. Schwierig wird es also dann, wenn wie bei Marie und Chris eine:r der beiden im Grunde eine feste Beziehung sucht, der/die andere dafür aber nicht zu haben ist.

Insbesondere wenn eine Seite mehr erhofft als die andere, können Situationships psychisch belastend werden:

  • Die viele Zeit der Einsamkeit, weil man nicht in einer festen Beziehung Geborgenheit findet.
  • Der Ärger, wenn wieder alles offen bleibt oder Verabredungen in letzter Minute abgesagt werden.
  • Die Unsicherheit, ob der/die andere nur die Zeit überbrückt, bis er oder sie jemand Besseres findet.
  • Das nagende Gefühl ausgenutzt zu werden und nur dann gut genug zu sein, wenn es dem/der anderen gerade „in den Kram passt“ oder er/sie mal wieder auf die leichte Art Sex haben will.
  • Der Frust, der ausgelöst wird durch einen Mangel an Perspektive und Verbindlichkeit.

Wenn Gefühle wie diese eine Situationship dominieren, kann das zu Resignation und zu emotionaler Erschöpfung führen.

Besonders schädlich sind Situationships, wenn sie alte Wunden aufreißen – etwa, wenn sich durch die Situatioship die unsichere Bindungserfahrung aus der Kindheit wiederholt. Das kann zu tiefen Verletzungen bis hin zur Retraumatisierung führen.

Wie erkenne ich, ob eine Situationship mir guttut?

Eine Situationship tut dir gut, solange du sie überwiegend als positiv und bereichernd erlebst.

Die Alarmglocken sollten bei dir klingen, wenn du

  • dich zunehmend aufregst über das unzuverlässige Verhalten deiner/deines Partner:in,
  • immer wieder so traurig bist, dass du weinen musst,
  • zunehmend gefrustet und verbittert an deine Beziehung denkst,
  • neidisch bist auf andere Paare, die eine traditionelle Beziehung führen.

 

Ein bewährter Praxistipp:
Notiere dir in deinem Kalender jeden Tag, wie du dich fühlst, wenn du an deine Beziehung/Situationship denkst. Das kannst du ganz einfach mit Smileys machen.

  • Mundwinkel nach unten, wenn du dich ärgerst, unglücklich oder gefrustet bist.
  • Mundwinkel gerade, wenn du deine Beziehung neutral erlebst.
  • Mundwinkel nach oben, wenn du glücklich und zufrieden bist.

 

Nach zwei Wochen machst du die erste Inventur und zählst, bei wie vielen Smileys die Mundwinkel nach unten oder oben gehen. Wenn bei mehr als der Hälfte aller Tage bei deinen Smileys die Mundwinkel nach unten zeigen, solltest du dringend etwas verändern!

Kann aus einer Situationship mehr werden?

Grundsätzlich kann aus einer Situationship mehr werden. Oft klappt das aber nicht. Weshalb das so ist, lässt sich denkbar einfach erklären:  

Wer eine feste Beziehung haben möchte,
verhält sich in den allermeisten Fällen auch dementsprechend!

Im Umkehrschluss bedeutet das: Wer sich unverbindlich verhält, möchte sehr wahrscheinlich auch eine unverbindliche Beziehung haben.

Gleichzeitig würde ich natürlich nichts unversucht lassen – denn wer weiß, ob das Oxytocin nicht auch bei deinem/deiner Partner:in wirkt!

Was es jetzt aber auf jeden Fall braucht:

  • Mut – denn ja, der Schuss kann echt nach hinten losgehen, wenn du deiner Situationship aufzeigst, wo deine Grenzen liegen.
  • Offenheit – damit du dich authentisch zeigst, wie es dir geht mit der Situation
  • Klare Kommunikation – nur so kannst du sicherstellen, dass das Gespräch nicht wieder unverbindlich und nichtssagend bleibt.

 

Wichtig ist, offen über deine Bedürfnisse und deine Erwartungen an eine Beziehung zu sprechen. Ebenso wichtig ist es aber auch, dass du erfährst, welche Bedürfnisse und Erwartungen dein:e Partner:in bezogen auf Eure Beziehung hat.

Wenn das Gespräch ins Leere läuft, Eure Bedürfnisse und Erwartungen stark divergieren und der/die andere nicht bereit ist, auf deine klar kommunizierten Bedürfnisse einzugehen, ist es an der Zeit, eine Entscheidung zu treffen. Das kann schmerzhaft sein, gleichzeitig ist das aber gesünder, als noch länger in einer Beziehung festzuhängen, die dir nicht das gibt, was du wirklich brauchst!

Unterstützung für Freunde in Situationships

Wenn Freunde in ungewollten Situationships feststecken, ist das Wichtigste, ein offenes Ohr zu bieten.

Was du tunlichst lassen solltest:

  • Vorschnelle Urteile fällen
  • Ungebeten Ratschläge geben
  • Ihre Entscheidungen kritisieren

Versuche stattdessen bedürfnisorientiert zuzuhören! Damit hilfst du deinen Freund:innen, ihre eigenen Bedürfnisse zu erkennen und zu artikulieren. Du willst erfahren, was es mit Bedürfnissen auf sich hat und wie bedürfnisorientiertes Zuhören funktioniert? Dann hilft dir dieser Blogpost weiter!

Fazit

Situationships können sowohl bereichernd als auch belastend sein. Sie erfordern ein hohes Maß an Bewusstheit für dich und das, was dir wichtig ist. Auch braucht es immer wieder Mut und kommunikative Fähigkeiten, deine eigenen Bedürfnisse klar und verbindend in Austausch zu bringen.

Ob eine Situationship das Richtige für dich ist, kann pauschal nicht gesagt werden. Das hängt von deinen Bedürfnissen und deinen aktuellen Lebensumständen ab.

Manchmal kann eine Situationship dir dabei helfen, besser zu verstehen, was du im Leben und in der Liebe suchst und was wichtig in einer Beziehung für dich ist!

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Piroska Gavallér-Rothe

Kommunikations-Coach, Buchautorin, Speakerin
Hallo, ich bin Piroska

Wenn Du tiefer einsteigen willst, kontaktiere mich gern!

Dies ist ein Bild von Piroska-Gavaller-Rothe, Kommunikationstrainerin

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