Nicht so ganz GfK-mäßig

Heute möchte ich mit Euch eine kleine Episode aus meinem Leben teilen, die mich sehr zum Nachdenken und gleichzeitig aber auch zum nachsichtig-wohlwollenden Schmunzeln über mich gebracht hat. Und bei der ich mich mal wieder dabei ertappt habe, dass trotz jahrelanger Übung meine ersten emotionalen Regungen auch nicht immer so wunderbar GFK-mäßig sind, wie der eine oder die andere es sich womöglich idealtypisch bei einer Trainerin für Gewaltfreie Kommunikation vorstellt.

Inhaltsverzeichnis

Was ist geschehen?

Nun, was ist geschehen? Es ist Samstag gegen 11 Uhr und ich bin mit dem Auto unterwegs Richtung Baumarkt. Auf dem Weg dorthin muss ich an einer Stelle links auf eine viel befahrene Vorfahrtsstraße abbiegen. Als ich die Lage checke sehe ich, wie die Ampel auf der Vorfahrtsstraße gerade rot wird und damit der Verkehr von links zum Anhalten kommt. Über diesen glücklichen Umstand bin ich total erfreut und flugs will ich gerade zum Abbiegen ansetzen, als ein weißer SUV angerollt und so zum Stehen kommt, dass für mich ein Abbiegen unmöglich wird.

Erste Reaktion

Ich schaue ins Auto und sehe einen Menschen, den ich aufgrund seiner Physiognomie und seiner Frisur als (sehr vermutlich) eine Frau identifiziere und gleich darauf flitzt mir folgender unwirscher Gedanke durch den Kopf: «Na prima du egomane Tussi! Hauptsache du bist schick und sicher in deinem SUV unterwegs, während dir der Rest der Menschheit hier im Straßenverkehr gestohlen bleiben kann!»

Erkenntnis

Gerade als ich mich so wunderhübsch weiter echauffieren und mich ganz meinen ärgervollen Gedanken hingeben möchte, erkenne ich allerdings die Frau. Sie ist mir vom Spazierengehen mit meinem Hund bekannt und wir hatten schon öfters sehr freundlich miteinander geplaudert. In dem Augenblick als ich sie erkenne, hört erstaunlicher Weise mein Ärger schlagartig auf, mein Blutdruck senkt sich innerhalb von Millisekunden merklich und ich werde wieder ruhig, denn ja: Auch wenn die Frau da etwas tut, das ich nicht so dolle finde (nämlich ganz ohne Not meinen Weg blockieren), so ist mir klar: Eine doofe Tussi ist diese Frau ganz sicher nicht und sehr vermutlich ist ihr auch der Rest der Menschheit im Straßenverkehr ganz und gar nicht egal.

Der Wendepunkt

Bereits diesen abrupten Wandel meiner Gefühlslage finde ich äußerst bemerkenswert, doch geht die Sache noch weiter: Plötzlich nämlich schaut die Frau in meine Richtung und scheint sehr überrascht und beinahe erschrocken zu sein, als sie merkt, dass sie mit ihrem Auto mir das Abbiegen auf die Vorfahrtsstraße unmöglich macht. Gleichzeitig scheint auch sie mich zu erkennen, denn sie lächelt mir zu und setzt alsdann auch schon zurück, damit ich mich vor ihr einfädeln kann. In diesem Augenblick verändert sich meine Gefühlslage wieder auf wundersame Weise, denn ich merke, wie ich plötzlich ganz entzückt und beglückt bin ob der Aufmerksamkeit und Freundlichkeit, die sich für mich nun durch ihr Verhalten plötzlich im Straßenverkehr erfüllt. Gleichzeitig merke ich auch, wie mir aber auch ganz warm wird um’s Herz, weil sich nämlich in diesem kurzen Augenblick des Sich-Erkennens auch Verbindung und gegenseitiges Wohlwollen für mich erfüllen.

Reflexion

All dies ist eine Interaktion von maximal 10 Sekunden und auch jetzt, gut zwei Tage später, bin ich noch sehr beeindruckt von diesem Erlebnis. Weshalb? Weil diese kleine Begebenheit mir wieder einmal eindrücklich zeigt, wie unmittelbar unsere Gefühle von unseren Gedanken abhängen, die wir uns zu einem Geschehen im Außen machen und gleichzeitig von unseren Bedürfnissen, die sich durch das, was wir erleben, erfüllen oder eben auch nicht. Salopp formuliert kann man auch sagen: Das Außen ist nicht verantwortlich dafür, welche Gefühle wir bezogen auf eine Situation erleben. Das was im Außen geschieht, ist nur der Auslöser für innere Prozesse, die im Endeffekt unsere Gefühle bewirken.

Erklärung anhand der Geschichte

Falls Du jetzt denkst: «Bitte was?» möchte ich es Dir anhand der Geschichte von gestern erklären. Ursächlich für meinen Ärger war tatsächlich nicht der Umstand, dass die Frau mir meinen Abbiegeweg blockierte, sondern die Bedeutung, die ich diesem Umstand gab. Als ich dachte, die Frau sei eine egomane Tussi, die nur an sich denkt, wurde ich ärgerlich. Als ich sie plötzlich erkannte, da war mein Ärger plötzlich weg – obwohl sie immer noch meinen Weg blockierte!

Gewaltfreie Kommunikation: Auslöser und Ursache

In der Gewaltfreien Kommunikation wird sehr deutlich zwischen dem Auslöser bzw. Trigger von Gefühlen und der Ursächlichkeit von Gefühlen unterschieden. Der Auslöser/Trigger liegt im Außen, die Ursache für meine Gefühle im Innen. Auf den konkreten Fall bezogen heisst das: Natürlich hat der Umstand, dass da was im Außen passiert, eine Wirkung. Denn ohne die Frau im weißen SUV, der sich mir in den Weg stellt, wären all die gefühlsmäßigen Regungen, die ich zuvor beschrieben habe, nicht entstanden. Was ich allerdings emotional erlebe hängt nicht vom auslösenden Moment, sondern davon ab, was innerlich in mir abzulaufen beginnt. Und was in aller Regel abläuft, das sind vor allem Gedanken, die – je nachdem, in welche Richtung sie gehen – ganz unterschiedliche Gefühle bewirken können. Vereinfacht können diese gefühlsmäßigen Reaktionen auf «Mundwinkel gehen nach oben» und «Mundwinkel gehen nach unten» reduziert werden. Spezifischer können wir sie allerdings anhand konkreter Gefühle beschreiben.

Gedanken und Gefühle

Verschiedene Gedanken, die mir bei einem unveränderten Trigger kommen können und die Bewegung der Mundwinkel bzw. Gefühle die diese auslösen können: 

Auslöser/Trigger

Gedanke

Mundwinkel

Gefühl

Auto steht mir im Weg

So eine egomane Tussi!

😠

Ich bin ärgerlich bis wütend

Auto steht mir im Weg

Kann die denn nicht mal aufpassen

😠 

Ich bin genervt bis ärgerlich

Auto steht mir im Weg

Och menno, und ich hab es so eilig…

😔

Ich bin gestresst

Auto steht mir im Weg

Ach, die nette Frau vom Spaziergang!

😊

Ich bin entspannt und friedlich

Auto steht mir im Weg

Ach, es ist Samstag – alles easy…

😊

Ich bin entspannt und ruhig

Gedanken und Bedürfnisse

Spannend dabei ist: Die Gedanken, die uns da kommen, kommen nicht von ungefähr. Gedanken sind nämlich immer (zumeist unbewusster) Ausdruck dessen, worum es uns im Grunde geht. Und worum es uns im Grunde geht, hat stets etwas mit uns und unseren Bedürfnissen zu tun. Gerne möchte ich auch das anhand des konkreten Beispiels näher erläutern:

Gedanke

So eine egomane Tussi!

Bedürfnisse, um die es mir geht

Achtsamkeit und Rücksichtnahme

Kann die denn nicht mal aufpassen?

Aufmerksamkeit

Och menno, und ich hab es so eilig …

Zeit effizient nutzen, Pünktlichkeit

Ach, die nette Frau vom Spaziergang!

Vertrauen in ihre grundsätzliche Achtsamkeit und Rücksichtnahme im Straßenverkehr – ich habe sie ja stets sehr nett erlebt 😊

Es ist Samstag – Alles easy …

Zeit und innerer Frieden

Eigene Erfahrungen und Reflexion

Vielleicht magst Du den von mir beschriebenen Prozess auch mal ausprobieren und dabei Deinen eigenen Gefühlsregungen und Gedanken auf die Schliche kommen und mehr verstehen, worum es Dir in zum Beispiel einer «Ärger-Situation» im Grunde geht? Auch hierfür habe ich etwas für Dich im Freunde&Follower-Bereich vorbereitet. Es ist ein Reflexionsbogen, der Dir eine wertvolle Hilfe beim Umgang mit emotional aufgeladenen Situationen oder beim bekannten „inneren Durcheinander“ sein kann.

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Piroska Gavallér-Rothe

Kommunikations-Coach, Buchautorin, Speakerin
Hallo, ich bin Piroska

Wenn Du tiefer einsteigen willst, kontaktiere mich gern!

Dies ist ein Bild von Piroska-Gavaller-Rothe, Kommunikationstrainerin

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